Konfliktdynamik frühzeitig erkennen: Die 9 Eskalationsstufen
BeitragUm geeignete Lösungen für Konflikte abzuleiten, ist es wichtig, Konfliktsituationen als solche noch besser zu verstehen. Dabei hilft das Wissen über das Eskalationsniveau eines Konflikts, um zu erkennen, ob externe Unterstützung sinnvoll ist, um eine weitere Eskalation zu vermeiden und eine gemeinsame Lösung zu erreichen.
Das Modell der Eskalationsstufen (nach Friedrich Glasl) bietet hierfür eine gute Grundlage, da die darin beschriebenen Eskalationsstufen regelmäßig in Konflikten zu beobachten sind. Konflikte neigen grundsätzlich dazu, sich zu verschärfen, und je weiter diese Eskalation fortschreitet, desto schwieriger wird es, den Konflikt konstruktiv zu lösen. Das Modell von Glasl unterteilt die Eskalation daher in drei Phasen, die jeweils in drei Stufen untergliedert sind (siehe Grafik):
- Während es in der ersten Phase noch möglich ist, dass beide Parteien ohne Schaden oder sogar mit Gewinn aus der Situation aussteigen (Win-win),
- wird in der zweiten Phase eine der Parteien verlieren (Win-lose)
- und auf der dritten Ebene wird es für beide Seiten nur noch Verluste geben (Lose-lose).
In diesem Beitrag wird jede der Phasen genauer beschrieben und mit Empfehlungen versehen. Dabei ist es wichtig zu verstehen, dass jeder Konflikt individuell betrachtet werden sollte, da er von den beteiligten Personen und der spezifischen Situation abhängt und daher immer eine individuelle Lösung erfordert.
Hinweis: Auch der Konfliktstil der beteiligten Personen beeinflusst die Entwicklung eines Konflikts sowie dessen Verlauf maßgeblich. Informiere dich daher im separaten Beitrag zu den verschiedenen Konfliktstilen und finde deinen eigenen Stil im dazugehörigen Selbsttest heraus!
Phase 1: Win-win
Auf dieser Ebene ist es je nach Situation meistens noch möglich, den Konflikt selbst zu lösen und dafür zu sorgen, dass beide Parteien als Gewinner:innen hervorgehen.
1. Verhärtung
Aufgrund eines bestimmten Anlasses kommt es zu Spannungen zwischen zwei oder mehr Personen. Wenn diese Irritationen nicht frühzeitig geklärt werden, können sie zu Reibungen führen, die die Zusammenarbeit beeinträchtigen.
Hinweis: In dieser Stufe ist es wichtig, diese ersten Anspannungen frühzeitig zu erkennen und eine konstruktive, offene Kommunikation zu suchen, um Missverständnisse zu klären sowie Lösungen zu finden. Ein separater Beitrag hier in der Mediathek hilft dir dabei, dich für mögliche Anzeichen von Konflikten zu sensibilisieren.
2. Debatte
In dieser zweiten Stufe beginnt der eigentliche Konflikt. Es kommt zu einer offenen Auseinandersetzung, worin jedoch auch eine Chance der Konfliktlösung liegt. Wenn eine konstruktive Aussprache gelingt, kann der Konflikt bewältigt werden. Häufig ist es jedoch so, dass die Beteiligten sich stattdessen Vorwürfe machen, sarkastisch oder zynisch werden und wenig konstruktive Lösungen vereinbaren. Es kann allerdings auch sein, dass diese Stufe komplett vermieden wird und die Unstimmigkeiten ignoriert werden. Dann eskaliert der Konflikt in der Regel zu einem späteren Zeitpunkt, sofern es den Beteiligten nicht möglich ist, eine Auseinandersetzung dauerhaft zu vermeiden.
Hinweis: Zu diesem Zeitpunkt ist es wichtig, der anderen Partei aktiv zuzuhören, um Perspektiven zu erweitern und eine gemeinsame Basis zu schaffen. In einem separaten Beitrag hier in der Mediathek findest du eine gute Grundlage, um Konfliktklärungsgespräche mithilfe gewaltfreier Kommunikation zu führen.
3. Taten statt Worte
Nach der direkten Auseinandersetzung kommt es in der Regel zu einem Rückzug. Der Kontakt wird vorübergehend abgebrochen oder – so gut es geht – vermieden. Die Konfliktparteien kommen zu dem Schluss, dass weitere Gespräche keinen Sinn mehr ergeben. Jede Partei verfolgt also ihre eigenen Ziele, ohne größere Rücksicht auf die andere zu nehmen. Auch wenn eine Absprache eigentlich nötig wäre, werden Entscheidungen im Alleingang getroffen und die andere Partei wird mit bereits getroffenen Entscheidungen konfrontiert.
Hinweis: In dieser Stufe ist es wichtig, das Vertrauen wiederherzustellen und klare Regeln festzuhalten. Dabei kann eine Mediation – oder, falls noch nicht einbezogen – die Führungskraft unterstützen, um das Gespräch zu moderieren.
Phase 2: Win-lose
Ab dieser Ebene sollte sich aktiv Hilfe von außen gesucht werden, da hier erstmalig Koalitionen gebildet werden, die eine Lösung des Konfliktes immer unwahrscheinlicher machen und diesen eher noch verhärten.
4. Koalition
Die Konfliktparteien suchen sich nun Verbündete und schließen Koalitionen. Dritte werden dann (gewollt oder ungewollt) in den Konflikt hineingezogen und werden ebenfalls zu Beteiligten. Hier werden nun die eigenen negativen Eindrücke untereinander ausgetauscht und bestätigt. Das negative Bild der anderen Konfliktpartei wird immer stärker: Innerhalb der eigenen Partei fühlen sich Personen in ihren Ansichten bestätigt und sehen die Chance, als Gewinner:innen aus dem Konflikt herauszugehen. Die ursprünglichen Gründe für den Konflikt rücken zunehmend in den Hintergrund.
Hinweis: Hier ist wichtig, das Bedürfnis nach Selbstschutz wahrzunehmen, da die Parteien zunehmend Interesse daran haben, ihr eigenes Bild zu wahren. Durch eine Mediation können die eigentlichen Interessen und Bedürfnisse herausgearbeitet und das eigene Verhalten reflektiert werden. Eine nähere Betrachtung arbeitsbezogener Konfliktarten (siehe separater Beitrag) kann hilfreich sein, um die Bedürfnisse der Gegenseite zu verstehen.
5. Gesichtsverlust
Mit Unterstützung ihrer Verbündeten gewinnen die Parteien nun an Selbstbewusstsein und setzen alles daran, dass die Öffentlichkeit erfährt, „wie die Gegenpartei wirklich ist“. Die Gegenseite wird öffentlich angegriffen, zur Rede gestellt oder provoziert. Das Ziel ist, die Verfehlungen der anderen Seite sichtbar zu machen und mit immer neuen „Beweisen“ zu untermauern, um die eigene Position zu stärken und besser dastehen zu lassen.
Hinweis: In dieser Stufe ist es entscheidend, das Zusammenspiel zwischen dem Schutz des eigenen Gesichts und dem Verlust des Gesichts der Gegenpartei zu verstehen. Eine neutrale, professionelle Instanz kann hier helfen, dass die Parteien ihre Interessen vertreten, ohne dabei die Integrität der Gegenseite zu gefährden.
6. Ultimatum
In dieser Stufe haben die Beteiligten das Gefühl, es kaum noch auszuhalten und mit aller Macht eine Veränderung herbeiführen zu müssen. Sie greifen daher zu Drohungen und Ultimaten und setzen die Gegenseite massiv unter Druck, indem sie drastische Konsequenzen androhen, falls ihre Forderungen nicht erfüllt werden. Die Gegenseite fühlt sich dadurch ebenfalls gezwungen, mit Sanktionen oder Gegenmaßnahmen zu reagieren, falls sie nicht bereit ist, nachzugeben. Wenn eine Partei nachgibt, „gewinnt“ scheinbar die andere.
Hinweis: Hier ist es besonders essenziell, auf Drohungen und Ultimaten gezielt zu reagieren, indem durch ein Schlichtungsverfahren klare Grenzen und Alternativen zu Drohstrategien aufgezeigt bzw. gemeinsam erarbeitet werden.
Phase 3: Lose-lose
Ab dieser Ebene sollte eine neutrale Person von außen den Konflikt schlichten, da hier nicht nur eine, sondern beide Konfliktparteien mit einem Schaden aus dem Konflikt gehen werden. Es ist daher nicht davon auszugehen, dass die im Konflikt beteiligten Personen zu diesem Zeitpunkt noch versuchen, eine konstruktive Lösung zu finden.
7. Begrenzte Vernichtung
In dieser Stufe wachsen Wut und Ärger gegenüber der vermeintlichen Gegenpartei, da die Konfliktparteien ihre Forderungen auch durch Drohungen und Ultimaten nicht durchsetzen können. Der Gegenpartei werden immer schlechtere Absichten unterstellt – egal wie diese sich verhält. Beide Seiten neigen zu selektiver Wahrnehmung sowie Fehlinterpretationen und betrachten deshalb jedes Mittel als berechtigt, die eigenen Interessen durchzusetzen. Die normalen Regeln des zwischenmenschlichen Umgangs werden stellenweise außer Kraft gesetzt und das eigene Bewusstsein für unrechtmäßiges Verhalten schwindet. Angriffe erfolgen entweder verbal oder durch Sachbeschädigungen.
Hinweis: Zu diesem Zeitpunkt ist es notwendig, auf jegliche Angriffe konsequent zu reagieren und Maßnahmen zu ergreifen. Durch eine Notfallintervention mit professionellen Mediator:innen und Konfliktberater:innen kann zukünftiger Schaden begrenzt werden.
8. Zerstörung der Gegenpartei
Nun versuchen Beteiligte die Gegenpartei und deren Verbündete mit aller Kraft zu schädigen. Dabei richtet sich die Aggression zunehmend auch gegen Freundschaften und Verbündete der Gegenpartei. Hier kommt es zu Behinderungen, offener Sabotage und gezielten Angriffen, die das Umfeld der anderen Partei über deren vermeintliche Verfehlung informieren.
Hinweis: In dieser Stufe ist es wichtig, dass das Unternehmen oder die Institution feste Verfahren und gegebenenfalls Sanktionen einsetzt, um den Konflikt zu kontrollieren und weitere Schäden einzudämmen.
9. Gemeinsam in den Abgrund
In der letzten Eskalationsstufe ist das Ziel der Konfliktparteien, die Gegenseite endgültig aus ihrem Umfeld zu entfernen – selbst wenn dies bedeutet, erhebliche eigene Nachteile und Schäden in Kauf zu nehmen. Das Risiko, dafür persönlich haftbar gemacht zu werden, wird von den Beteiligten in ihrer Wut und Aggression entweder ignoriert oder bewusst akzeptiert.
Hinweis: Um den Konflikt zu stoppen und eine völlige Eskalation zu verhindern, müssen die Konfliktparteien durch eine höhere Instanz räumlich oder auch organisatorisch voneinander getrennt werden.
Mit den hier vorgestellten Eskalationsstufen kannst du nun zukünftig leichter feststellen, in welcher Konfliktphase du dich womöglich gerade befindest und welche Maßnahmen zur Lösung des Konfliktes hierbei geeignet bzw. notwendig sind. Wenn du dich gerade in einer Konfliktsituation befindest und dir unsicher bist, wie du am besten vorgehen solltest, unterstützen dich die hier hinterlegten Ansprechpersonen gerne.
Dieser Artikel wurde von Evermood erstellt und zuletzt am aktualisiert.