Still Hilfe rufen: Handsignal in Notsituationen

Beitrag
Bist du von häuslicher Gewalt betroffen und suchst nach einem Weg, dich einer anderen Person unbemerkt anzuvertrauen? Befindest du dich gerade in der Gewalt einer anderen Person – vielleicht sogar im öffentlichen Raum – und traust dich nicht, nach Hilfe zu rufen oder wegzurennen? Oder hast du vielleicht eine Person auf der Straße bemerkt, die ein verstecktes Handzeichen immer wieder wiederholt hat und möchtest wissen, was es bedeutet? Egal in welcher (potentiell) gefährlichen Situation du dich befindest: Wenn du visuellen Kontakt zu anderen Menschen herstellen kannst, kann dir das folgende Handzeichen weiterhelfen.
Das Handzeichen wurde während der Corona-Pandemie von der Canadian Women’s Foundation entwickelt, damit vor allem (häuslich) isolierte Personen sicher nach Hilfe rufen können. Mittlerweile beginnt das Handzeichen sich auf der ganzen Welt als stiller Ruf nach Hilfe in Gefahrensituationen zu etablieren – und so konnte bereits vielen Menschen, u. a. auch in Deutschland, geholfen werden.

Wie es funktioniert

Nutze das Handsignal unabhängig davon, ob du z. B. …
  • akut von häuslicher Gewalt betroffen bist;
  • mit einer Person in der Stadt unterwegs bist, die dich jetzt nicht mehr gehen lassen will und die dir Angst macht;
  • in einem Auto oder Taxi sitzt und nicht mehr herausgelassen wirst;
  • gerade versteckt (mit einer Waffe) bedroht und dazu gezwungen wirst, zu folgen;
  • Angst um dein Leben hast und nicht um Hilfe rufen oder weglaufen kannst.
Befindest du dich in einer der oben beschriebenen oder ähnlichen Situation, so benötigst du lediglich eine freie Hand und mindestens eine außenstehende Person, um das Signal zu geben. Tue dies zum Beispiel im Gehen, während du deinen Arm nach unten hängen lässt oder in einem Videotelefonat vor bzw. neben dir, wenn es die Person, die dich bedroht, nicht sieht.

Wichtig ist, dass du die Zeichenabfolge gezielt und gut erkennbar wiederholst, wie hier in der Grafik dargestellt. So können Außenstehende besser auf dich aufmerksam werden und verstehen, dass du zielgerichtete, bewusste Zeichen gibst. Wiederhole diese Abfolge am besten so lange, wie es dir möglich ist. So erhöhst du die Wahrscheinlichkeit, dass andere Personen auf dich aufmerksam werden.

Wie du helfen kannst

Hast du dieses Handsignal im öffentlichen Raum gesehen oder wurde es dir z. B. in einem Videogespräch gezeigt? In diesem Fall solltest du versuchen, gefahrlos mit der betroffenen Person in Kontakt zu treten. Wie das in unterschiedlichen Situationen aussehen kann, erfährst du weiter unten hier im Beitrag. Durch die Kontaktaufnahme kannst du von ihr mehr darüber erfahren, was du tun kannst bzw. was sie benötigt. Beispielsweise kann es sein, dass die Person …
  • Hilfe bei der Kontaktherstellung zu einem Frauenhaus, der Polizei oder einem anonymen, externen Unterstützungsangebot benötigt;
  • sich jemanden wünscht, der bzw. die ihr zuhört, von ihrer Situation weiß und bei ihr ist;
  • jemanden vor Ort als Unterstützung benötigt, um sicher aus der Situation zu kommen (z. B. im öffentlichen Raum).
Sollte eine gefahrlose Kontaktaufnahme nicht möglich sein oder eine akute Gefahren- oder Notsituation vorliegen, so rufe immer umgehend die Polizeirufnummer 110! Das gilt auch für Situationen im öffentlichen Raum: Kannst du nicht ausschließen, dass durch dein persönliches Einschreiten sowohl die betroffene Person als auch du selbst (weiter) gefährdet werden, so wende dich bitte immer direkt an die Polizei.

Video- & Telefongespräche

Solltest du dich in einem Videogespräch oder Telefonat mit der Person befinden, stelle sicher, dass du nur von der betroffenen Person und niemand anderem in ihrem Haushalt gehört werden kannst. Denn es ist vor allem im häuslichen Umfeld oft davon auszugehen, dass der Täter bzw. die Täterin zuhören oder zusehen kann. Sollte die betroffene Person bisher keine Kopfhörer tragen oder dich auf laut gestellt haben, kannst du sie durch einen unscheinbaren Satz dazu bringen, welche anzuschließen, indem du z. B. sagst:
  • „Ich muss dir was wirklich peinliches erzählen, kannst du deine Kopfhörer rein machen? Ich will wirklich nicht, dass das noch jemand weiß.”
  • „Du bist hier wirklich schlecht zu verstehen, bei dir ist es irgendwie laut im Hintergrund. Hast du Kopfhörer, die du benutzen kannst?”
Sobald du von deiner Seite aus ungestört sprechen kannst, stelle der Person einfache, einzelne Fragen, die sie mit Ja oder Nein beantworten kann – da sie immer noch gehört werden kann. Zum Beispiel kannst du sie fragen, …
  • ob du die Polizei für sie anrufen sollst;
  • ob du eine Notunterkunft für sie kontaktieren sollst;
  • ob du sie regelmäßig anrufen oder mal vorbeikommen sollst.

Schriftliche Kommunikation

Es kann sein, dass du dich mit einer Person in einem Videogespräch oder Telefonat befindest, ihr jedoch nicht frei sprechen könnt. In dieser Situation bietet es sich an, entweder in der Situation selbst oder im Nachgang auf einen schriftlichen Nachrichtenaustausch – z. B. via E-Mail, WhatsApp oder Social Media – auszuweichen. Hierbei solltest du möglichst offene Fragen stellen und im Hintergrund behalten, dass deine Nachricht von weiteren Personen gelesen werden könnte. Du kannst z. B. folgendes schreiben:
  • „Wie geht es dir?”
  • „Wie kann ich dir behilflich sein?”
  • „Meld dich bei mir, sobald du kannst.”
  • „Kann ich demnächst mal vorbeikommen?”

Nun weißt du, wie du einen stillen Notruf signalisieren kannst und wie du als außenstehende Person auf einen solchen Hilferuf gut reagierst. Solltest du von häuslicher Gewalt betroffen sein oder anderweitige Gewalt erlebt haben, so kannst du dich stets an die hier hinterlegten (psychologischen) Ansprechpersonen wenden. Sie helfen dir gerne weiter, wenn du dich jemandem anvertrauen möchtest oder anderweitige Unterstützung suchst.
Dieser Artikel wurde von Evermood erstellt und zuletzt am aktualisiert.